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twa-DenkBar #1

Zeitlos, rastlos, immer was los

Wochenlang haben wir Anlauf genommen. Manche waren mit mehr, manche mit weniger Stress unterwegs, um alles zum Fest der Feste organisieren. Weihnachten wird auf dem Rücken dieses kleinen neugeborenen Wurms ausgetragen, der sich nicht wehren kann und dessen Eltern wirklich Beachtliches geleistet haben. Und wir: Wir wünschen uns eine besinnliche Zeit, nachdem wir besinnungslos Amazon zum Gott des Konsums hochgejubelt haben.

 

Zwischendurch semmeln wir uns noch ein paar statische Grüße ins Email-Postfach, weil das Persönliche ja Besinnung bräuchte - ein Besinnen auf die, die uns etwas bedeuten, mit denen wir etwas erlebt haben, mit denen uns etwas verbindet. Keine Zeit für Jahres-Endzeit-Romantik, wir müssen ja weiter. Aber wohin eigentlich?

 

Nach zweieinhalb "Fest"-Tagen blicken wir zurück, fragen uns: war da was? Eigentlich wollten wir besoffen vor Glück sein, sind aber stattdessen erschlagen vom Versuch, uns Glück zu kaufen, immer noch eins doller zu sein als vor zwölf Monaten. "Die meisten Leute feiern Weihnachten, weil die meisten Leute Weihnachten feiern.", wusste schon Kurt Tucholsky. Mit Karacho in die Sinnkrise...

Immer weiter, heiter, irgendwie...

Doch bevor wir mal drüber nachdenken, was wir da eigentlich wieder glitzernd-festlich fabriziert haben, kommen die nächsten Ablenkungs-Impulse: Wie schaffen es die Blumenhändler eigentlich, pünktlich zum "dritten Feiertag" Tulpen, deren Zeit ja auch erst noch kommen müsste, in die Läden zu kriegen?

 

Urlaubs- und Reiseplanung, Ostern kommt auch immer so plötzlich, die Trips zwischendurch, Tempo im Job, ein Sale nach dem anderen, und, und, und... dann ist auch schon wieder ab Ende August die Rede von Weihnachten als gäbe es kein morgen mehr. Und verlässlich war bis dahin auch wieder keine Zeit, um darüber nachzudenken, es mal anders zu machen mit dem Fest der Freude.

Oliver Burkeman öffnet Augen: "4000 Wochen - das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement" heißt sein Buch, ein New York Times-Bestseller. Er öffnet ernüchterte Augen: 4.000 Wochen Zeit verbringen wir auf dieser Erde - und das auch nur, wenn wir so um die 80 Jahre alt werden. In diese Zeit wollen wir unglaublich viel hineinpressen - mit dem Erfolg, dass wir alles so mittelmäßig gut machen, vieles streifen, manches nie auch nur berühren. Das funktioniert - und es funktioniert deshalb aber auch noch lange nicht - im Privaten, im Beruf und in der Politik

Ein Bisschen richtig gut. Oder alles ein bisschen gut?

Ein bisschen schwanger gibt es nicht, weshalb auf Maria auch Verlass ist: Nach der Zeit, die die Biologie von ihr verlangt, liefert sie Jahr für Jahr  pünktlich am 24. Dezember.

 

Wir aber machen ein bisschen Lebensbewältigung, ein bisschen Lebensglück, ein bisschen Corona, ein bisschen Klima, ein bisschen Krieg, kommen vielleicht gerade mal zu halbgaren Ergebnissen - und widmen uns dem für uns Elementaren nicht mit ausreichend Zeit.

 

Elementar ist nicht, bei jeder Flohkirmes dabei zu sein. Elementar ist, was uns wichtig erscheint, was unsere Leidenschaft ist. Und Leidenschaft ist wiederum nicht das, was Leiden schafft.

 

So könnten wir es auch mit Weihnachten halten: Mit Leidenschaft ruhiger werden, mehr Advent und weniger Tüten mitnehmen, innnehalten, uns besinnen... Damt das kein frommer Wunsch bleibt.

 

Irgendwie kriegen wir alles in unser Leben. Aber eben nur irgendwie. Leidenschaftlich ist alles nie. Aber wenn wir irgendwann zurückgucken: Haben wir dann so ein bisschen von allem gelebt? Oder haben wir so richtig gelebt? 4.000 Wochen...

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